Die legendäre Teetied in Oostfreesland

Essen und Trinken Ostfriesland

Ein Ritual nicht nur für Einheimische

„Ein Kännchen Ostfriesentee für zwei Personen, dazu einen Crumble und einen Johannisbeerkuchen mit Mandeln.“

Die Auswahl im Cafégarten der Westgaster Mühler fällt leicht. Alles frisch und vor allem selbst gemacht. Unter schattigen Bäumen in einem schnuckelig angelegten Garten lässt sich die Teetied (Teezeit) gut genießen.

Kurz darauf kommt unser Tee. Ein Kännchen im typisch ostfriesenblauen Muster auf kupferfarbenen Metallstövchen. Zwei kleine, flache Tassen auf Untertassen mit Löffel, Kluntjes (größere Kandiszucker) mit der passenden silberfarbenen Zange und einen Teesahne-Pot mit dem ebenfalls typischen Sahnelöffel.

So kleine Tassen, die lohnt es doch gar nicht nass zu machen. – Doch, bei Ostfriesentee schon! Teetrinken wird hier zelebriert nach einer alten Tradition. Hier kannst du verweilen, entschleunigen, miteinander snacken (auf fränkisch: waafen; auf deutsch: plaudern) und die Welt vergessen.

Mit der Zange gebe ich je ein Stück Kluntjes in die Tassen, gieße den Tee darauf – gut halbvoll, mehr nicht – fülle das Sahnelöffelchen und lasse die Teesahne gegen den Uhrzeigersinn in die Tasse gleiten. Dabei bilden sich kleine Wölkchen im Tee, die sogenannten „Wulkjes“.

Nein, keinesfalls umrühren! Das wäre Frevel. Wie bitte? Wozu sind denn dann die Teelöffel mit dabei?

Eine leere, ausgetrunkene Tasse wird sofort wieder aufgefüllt. Drei der kleinen Tässchen sind Minimum, mehr jederzeit erlaubt. Der Löffel hat allein den Zweck zu signalisieren: Ich bin fertig, bitte keinen Tee mehr. Das erreiche ich, in dem ich meinen Löffel in die eben ausgetrunkene Tasse lege. Viele Ostfriesen sind trotzdem so höflich und fragen den Fremden, ob er noch möchte, bevor sie eine löffelleere Tasse erneut auffüllen.

Das nicht-Umrühren erlaubt es dem Teetrinker quasi sein Getränk in drei Phasen zu genießen: erst der milchige Teegeschmack am Tassenrand, dann das herbe Teearoma aus der Tassenmitte und zum Schluss die Süße des Tees über dem Kluntjes am Tassengrund.

Die Ostfriesen sind mit Abstand Weltmeister im Tee-pro-Kopf-Verbrauch. Kein Wunder, denn da wo andere ihren Morgenkaffee nach dem Aufstehen brauchen, beginnt ein Ostfriese bereits seinen Teegenuss. Später am Vormittag um 11 Uhr das Elführtje, gegen 15 Uhr den nächsten, zum Abendbrot natürlich auch und nach 20 Uhr nochmals. Kommt jemand zu Besuch, dann wird grundsätzlich ein Tee serviert, egal was die Uhr spricht.

Diese Teetradition hier an der Küste ist so entspannend, dass sowohl Urlauber als auch neu Hinzugezogene dieses Ritual – zumindest ein bis zweimal täglich – gerne übernehmen.

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